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Grenzen setzen und nein sagen mit Herz- so geht's!

Wenn es darum geht, Kindern Grenzen zu setzen, kursieren in unserer Gesellschaft immer noch viele Missverständnisse, Irrtümer oder einfach "Erzählungen", die sich hartnäckig halten.

Auf der einen Seite gibt es diejenigen, die glauben, man könne sich nur mit "Härte und Strenge durchsetzen", auf der anderen Seite sind die, die liberal erziehen möchten und meinen, "bedürfnisorientiert" sei gleichzusetzen mit "ich muss meinem Kind jeden Wunsch erfüllen".


Kinder brauchen Grenzen. Wie sonst sollten sie sich in einer komplexen Welt zurecht finden? Ohne Grenzen wären Kinder mit der Vielzahl von Möglichkeiten überfordert. Wer keine Grenzen kennt, hat keinen Leitfaden in der Hand und eckt automatisch immer wieder an.


Tatsächlich kommt es weniger auf das Ob und vielmehr auf das Wie des Grenzensetzens an. Grenzen können und sollten liebevoll und mitfühlend gesetzt werden. Eine respektvolle Kommunikation, bei der das Kind versteht, warum bestimmte Grenzen bestehen, wirkt nachhaltiger als strenge oder gar Angst und Druck machende Methoden.


Warum das "an Grenzen gehen" zum natürlichen Entwicklungsprozess von Kindern gehört

Mich stört die Erzählung, die Kinder so beschreibt, als testeten sie absichtlich Grenzen, um Erwachsene zu ärgern und herauszufordern. Als ginge es stets um ein gegenseitiges Kräftemessen und am Ende darum, wer die Oberhand behält. Folgen wir dieser Erzählung, geraten wir schnell in einen sehr anstrengenden und vor allem für uns Eltern kräftezehrenden Strudel.


Denn Kinder gehen von Natur aus an und über ihre Grenzen. Sie tun es nicht, weil sie uns Erwachsene ständig provozieren wollen, sondern es gehört zum natürlichen Entwicklungsprozess.

Indem Kinder an Grenzen gehen, machen sie die Welt für sich erfahrbar und eignen sich neue Fähigkeiten an. So funktioniert Lernen. Und sicher gibt es hier auch Kinderpersönlichkeiten, die von Natur aus sehr forsch sind und andere, die etwas vorsichtiger an Dinge herangehen. Weder das Eine noch das Andere ist richtig oder falsch, gut oder böse.


Die Aufgabe, die uns Erwachsenen dabei zukommt, ist, Kindern beim Herantasten an Grenzen einen sicheren und stabilen Rahmen zu bieten- auch indem wir gleichzeitig unsere eigenen Grenzen deutlich machen und wahren.

Es gibt die verschiedensten Arten von Grenzen und wir Erwachsenen müssen wie immer abwägen, was verhandelbar ist, was unverhandelbar ist, was uns als Familie besonders wichtig ist und wo letztendlich unsere eigenen "roten Linien" sind.

Wir brauchen unseren eigenen, verlässlichen inneren Kompass, der uns bei der Orientierung hilft und uns stabil hält.



Fragen, die Du Dir dazu immer einmal wieder stellen kannst:

  • Wie fühle ich mich, wenn ich ein Nein ausspreche?

  • Woran merke ich, dass meine Belastungsgrenze erreicht ist?

  • In welchen Situationen sage ich „Ja“, obwohl ich „Nein“ meine?

  • Warum fällt es mir schwer, in diesen Momenten „Nein“ zu sagen?

  • Wie reagiere ich, wenn jemand meine Grenzen überschreitet?

  • Teile ich das mit?

  • Wie oft lasse ich es zu, dass meine Grenzen missachtet werden?

  • Welche Bereiche in meinem Leben brauchen klarere Grenzen?

  • Gibt es bestimmte Beziehungen, in denen ich meine Bedürfnisse oft zurückstelle?

  • Trage ich zur Klarheit bei, oder bleibt mein Umfeld oft unsicher über meine Wünsche und Grenzen?

  • Habe ich das Gefühl, dass ich oft zu viel gebe oder mich aufopfere?

  • Respektiere ich die Grenzen anderer?

 

Je klarer Du Dir über Deine eigenen Grenzen bist und dies nach außen hin ausstrahlst und kommunizierst, desto leichter wird es für Dein Kind, vereinbarte Grenzen und Regeln einzuhalten.

An Deinem Verhalten kann es beobachten, wir Du Verantwortung für Deine Gefühle und Bedürfnisse übernimmst. Wie Du authentisch und souverän „Nein“ sagst – ohne Schuldgefühle und schlechtes Gewissen. Wie Du Dir selbst mit Wertschätzung begegnest und dadurch zeigst, dass Grenzen aus Fürsorge und Klarheit entstehen und nicht aus Härte oder Ablehnung.

Durch diese Haltung erfahren Kinder Orientierung: Sie lernen, dass ihre Wünsche nicht immer sofort erfüllt, aber auf eine Weise respektiert werden, die die Bedürfnisse der ganzen Familie im Blick hat. Und sie lernen, sowohl ihre eigenen als auch die Bedürfnisse anderer zu achten.


Gleichzeitig gibt dieser von Dir gesetzte Rahmen, Deinem Kind die Freiheit, sich auszuprobieren und die Welt zu erkunden- geborgen und sicher.


Das „Wie“: So setzt Du liebevoll und klar Grenzen

Hier sind ein paar Impulse, wie Du auf liebevolle und konsequente Weise diesen Rahmen abstecken kannst.


Sinnvolle, altersgerechte Grenzen setzen

Formuliere die Regeln und Grenzen so, dass Dein Kind sie verstehen kann. Verwende für jüngere Kinder eine klare, einfache Sprache und erkläre, warum die Regel wichtig ist. Zum Beispiel: „Du kannst nicht alleine über die Straße laufen, weil es gefährlich ist.“


Manchmal ist weniger mehr- benutzt Du zu viel “Text” besteht die “Gefahr”, dass Dein Kind nicht mehr richtig weiß, worum es eigentlich geht und der Sache keine Bedeutung beimisst. Übrigens: "Nein" kann auch ein vollständiger Satz sein ;-)

Bei älteren Kindern ist es gut, Grenzen gemeinsam zu besprechen, das Kind mit einzubeziehen und ihm damit zu signalisieren, dass seine Bedürfnisse gesehen werden.


Konsequenzen verständlich machen

Erkläre Deinem Kind, was passiert, wenn es die Grenze überschreitet und halte dies ein. Das schafft für Dein Kind den sicheren Rahmen, in dem es sich bewegen kann und zeigt ihm, dass Regeln und die Bezugspersonen, die sie aufgestellt haben, verlässlich sind.

Viele Pädagog:innen raten von "wenn-dann-Szenarien" ab. Es geht dabei meist um Situationen, in denen Eltern Kindern etwas androhen, was nicht zum Kontext passt oder unlogisch ist. Z.B. "Wenn Du Deinen Teller nicht leer isst, kannst Du keinen Nachtisch essen" (ich bin auch selbst schon oft in diese Falle getappt ;-) Und ja, das ist, wenn man es sich einmal genau überlegt, überhaupt nicht nachvollziehbar oder logisch. Gerade wenn man den Teller nicht leer isst, hat man doch noch Platz für Nachtisch, oder nicht?

Also da müssen wir nochmal überlegen...


Gleichzeitig möchte ich zu "wenn-dann" ermutigen: Es gibt durchaus sehr klare kausale Zusammenhänge, die wir unseren Kindern sehr gut mit "wenn-dann" erklären dürfen ohne dass dies einen Drohcharakter bekommt. Wir können damit den Zusammenhang zwischen eigenem Verhalten und den daraus folgenden Konsequenzen deutlich machen. Wichtig dabei ist immer der Kontext und der tatsächliche, logische und für das Kind nachvollziehbare Zusammenhang. So dass Kinder verstehen, dass jedes Verhalten auch eine Antwort beim Gegenüber hervorruft und Verhalten und die Antwort darauf miteinander resonieren.


Ruhe bewahren

Wenn Dein Kind eine Grenze überschreitet, bleibe ruhig und weise es darauf hin, dass eine Grenze überschritten wurde. Hier ist es hilfreich, bei der Sache zu bleiben und zu wiederholen, warum die Einhaltung der Grenze wichtig für Dich ist.


Erfolge anerkennen

Wenn Dein Kind eine Grenze gut einhalten kann, lobe es dafür. Überprüfe auch regelmäßig, ob die festgelegten Grenzen noch sinnvoll und altersentsprechend sind – sie verändern sich mit der Zeit und müssen neu angepasst und verhandelt werden.



Grenzen zu setzen ist die Einladung, ein harmonisches Miteinander zu leben, in dem sowohl die Bedürfnisse des Kindes als auch die der Eltern respektiert werden. Es geht nicht darum, Konflikte zu vermeiden, sondern darum, diese auf eine Weise zu lösen, dass alle Beteiligten (wieder) gut miteinander leben können.

WIE das genau für Euch funktioniert, legt Ihr als Familie selbst fest. Da gibt es keine universelle Gebrauchsanleitung.


Herbert Renz-Polster schreibt in seinem Buch "Mit Herz und Klarheit" dazu:

"Denn das mit den Grenzen klappt nur dort wirklich gut, wo die Kinder das haben, was sie für ihr Wachstum brauchen: Sicherheit, Anerkennung, Zugehörigkeit- und Freiheit."


Gibt es ein schöneres Schlusswort?




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